Vita

Der Tag war dem Holz gewidmet gewesen …

(Jane Urquhart, „Die Bildhauer“)

1. Januar 1949: Der Ort meiner Geburt ist Seefeld. Ein Dorf am Jadebusen, das jüngste in der Wesermarsch, im 17. Jahrhundert buchstäblich dem Meer abgerungen. Hier, wo ich aufgewachsen bin, stellte ich im Frühherbst 2004 erstmals meine Arbeiten im Kulturzentrum Seefelder Mühle aus. „Mit Skulpturen zurück in die Heimat“, schrieb eine Zeitung.
Die Beschäftigung mit Kunst reicht in etwa so weit zurück wie die mit Holz. Mit 14 Jahren besaß ich meine ersten eigenen Kunstbücher. Vielleicht die erste eigene „Skulptur“: Ein Holzfisch aus dem Werkunterricht. Überhaupt waren Werken und Zeichnen, so hieß damals der Kunstunterricht, meine Lieblingsfächer. Die Affinität zum Werkstoff Holz wurde auf jeden Fall hier in der Volksschule Seefeld gelegt.

Vermutlich war es danach nur folgerichtig, dass mein beruflicher Werdegang mit einer Tischlerlehre begann. Ich schlug den so genannten zweiten Bildungsweg ein, verließ im Alter von 20 Jahren die heimatliche Nordseeküste und schloss am Rosenheimer Holztechnikum das Studium zum Diplomholzingenieur ab. Danach arbeitete ich als holztechnischer Forschungsingenieur in der Fertighausindustrie bei Linz am Rhein, aber ich war in diesem Beruf nicht glücklich. Sozialwissenschaftliche und pädagogische Interessen waren hinzugekommen. In Freiburg absolvierte ich ein Zweitstudium zum Diplompädagogen. Dort arbeitete ich anschließend in sozialpädagogischen und berufsvorbereitenden Maßnahmen, leitete im Landkreis Emmendingen ein Handwerkskammerprojekt mit ausländischen Jugendlichen, probierte als technischer Journalist einen beruflichen Abstecher zur Holzberufsgenossenschaft nach München und kehrte dann nochmals nach Freiburg zurück.

Während einiger Monate der Arbeitslosigkeit erledigte ich kleinere holzhandwerkliche Aufträge für Freunde und Bekannte in der Werkstatt eines befreundeten Schreinermeisters. Doch ich wollte wieder als Pädagoge eingestellt werden. Nach zahlreichen Bewerbungen erhielt ich eine über die weitere berufliche Zukunft entscheidende Zusage aus Mosbach in Nordbaden. Hier unterrichtete ich seit April 1991 bis Dezember 2011 als wissenschaftlicher Lehrer für Holztechnik in der Sonderberufsschule am Berufsbildungswerk junge Menschen mit Lern- und Mehrfachbehinderungen im Berufsfeld Holz. Ein Kreis schien sich zu schließen. Trotz mancher biografischer Brüche war Holz zu einem Lebensthema geworden.
Ungebrochen hingegen war in all den Jahren seit der frühesten Schulzeit meine Vorliebe für Literatur. Und wann immer möglich besuchte ich Kunstausstellungen: Maler, vor allem des 20. Jahrhunderts, und später Bildhauer. Mich beeindrucken und begeistern die Skulpturen von Archipenko, Arp, Boccioni, Brancusi, Chillida, Claudel, Giacometti, Matisse, Mitoraj, Moore, Peppone und Rodin.

Das eigene künstlerische Arbeiten mit Holz begann Ende der 90er-Jahre. Seit nunmehr über 15 Jahren, zunächst berufsbegleitend neben meiner Tätigkeit als Berufsschullehrer, seit Anfang 2012 im beruflichen Ruhestand, fertige ich als leidenschaftlicher Holzskulpteur mit Hingabe und Begeisterung unentwegt kleine, mittelgroße und bis zu 3 m hohe Skulpturen. Aus heimischen Holzarten wie Apfel, Birne, Buche, Eibe, Eiche, Esche, Kirsche, Mirabelle, Mooreiche, Nussbaum, Robinie, Ulme oder Zwetschge. Entstanden aus kurzen wie langen Stamm- und Astteilen mit auffälligen Wuchsstörungen oder ungewöhnlichem Wuchsverlauf, aus Wurzelstöcken, Neckar- und Rhein-Treibholz, Sturmholz oder gefällten alten Obsthölzern mit Rissen, Astlöchern, Aushöhlungen, Durchdringungen sowie biotisch verursachten Holzmerkmalen. Alle Arbeiten legen ästhetisch Zeugnis ab vom Formenreichtum, von der Urwüchsigkeit und Lebenskraft sowie dem Werden und Vergehen des Holzes und bewahren somit den unerschöpflichen Eigen-Sinn der Natur.

Franz Anton Musiol, im November 2015